Wohnen

Wohnen am Dom, Erfurt

2014 bis 2018

Der Anspruch auf großzügiges Wohnen mit viel Licht, freier - gleichwohl differenzierter -Aussicht sowie die stadtbaulichen und kontextuellen Forderungen bestimmter Raumkanten formen die Idee zu diesem Entwurf. Der unaufgeregte Ansatz, die neue Bebauung quasi entlang der Grundstücksgrenzen anzulegen, eröffnet mit der Verschränkung des Südflügels und dem Lösen des sogenannten “Annexhauses“ zunächst eine grüne, luftige Mitte und zudem den erforderlichen wie bereichernden Freiraum zum Bergstrom - vor allem aber wird mit dieser klassischen Quartiersform eine erste und grundsätzliche Gliederung für Wohntypologien angelegt: die Basis für ein differenziertes Angebot zum Einquartieren. Der Flügel am Domplatz [DOM] sticht zuerst durch seinen S-Schwung heraus. Die durchgesteckten Wohnungen der Obergeschosse erhalten gen Domplatz eine Loggia mit zusätzlicher Verglasung, die die Nutzung als Wintergarten erlaubt und so nebenher als Klima- und Schallpuffer zweier Räume funktioniert, so dass die grandiose Aussicht an dieser Stelle genossen werden kann. Das Erdgeschoss kann in vier bis acht Nutzungseinheiten unterteilt werden, die das Angebot am Domplatz von typischer Geschäftsunterlagerung, über ein Café/Bistro an der Spitze (keine störenden Kontaktpunkte zum Wohnen) bis hin zu symbiotischen Nutzungen für z.B. Tagesbetreuungen (ob jung oder alt) im zentralen Bereich schaffen können. An dieser Stelle kann im Zusammenhang der Nutzung ein halböffentlicher Zugang zum Hof mit einer übersichtlichen Kontaktfläche von außen und innen - also von öffentlich und privat - erzielt werden. In verwandter Art lagern sich jeweils die Flügel An den Graden [ADG] und Am Kanonenschuppen [KAN] an. Mit ihrer klassischen Ost-West-Ausrichtung nehmen sie ohne nennenswerte äußere Störfaktoren Wohnungen auf, die sich in diese (mindestens zwei) Himmelsrichtungen erstrecken. Die Spezifik dieser Wohnungen findet sich in der zentralen Erschließung , die kreuzförmig die Funktionen von Kochen, Essen, Wohnen aufnimmt und mit Loggien und Balkonen verbindet (Prinzip verstärkt sich an den Giebelseiten, die durch die Geschossversprünge generiert werden). Dadurch lagern sich die Individualräume an persönlich thematisierbare Raumnischen an. Das Wechselspiel von Gemeinschaft und Privatheit kann so in jeder einzelnen Wohnung differenziert eingerichtet und gelebt werden ohne Zimmerstränge an Mittelfluren vorzugeben. Damit einher geht die Option, den sehr wirtschaftlichen Raumzuschnitt durch Zusammenlegen von Räumen - sprich hier: durch die Angliederung von Raumnischen zu größeren Zimmern zu variieren. Der Südflügel am Bergstrom [BER] nimmt „gestapelte“ Stadthäuser auf. Während EG und 1.OG drei Stadthäuser mit Gärten aufnehmen, verschränken sich in den nächsten drei Geschossen Maisonettewohnungen um einen zentralen Erschließungsflur. Dieser ist zweiseitig erreichbar und ermöglicht zum einen die Verbindung zum Gemeinschaftshof und zum anderen die Anbindung (auch per Aufzug) an das Untergeschoss. Diese Stadthäuser sind mit großzügigen Balkonen, Dachterrassen und auch Wintergärten ausgestattet und bieten sich zum familiären Wohnen als städtische Alternative zum „Häuschen im Grünen“ an. Das freigestellte Haus in Richtung Fischersand [FIS] ermöglicht mit den einzig definierten Erschließungskernen eine völlig freie Wohnungsteilung, die beispielgebend in einem Geschoss als Wohnungen aufgezeigt wird. Andernfalls ist eine Loftnutzung möglich bzw. deuten Linien mögliche weitere Teilungen an. Der gewünschte Straßenschluss An der Graden und die exponierte Stelle im neuen Quartier - nämlich im Kontaktpunkt zu den bestehenden Wohngebäuden der Umgebung Am Fischersand - lassen für das Erdgeschoss eine weitere Nutzung denkbar werden: > die eines Gemeinschaftsraumes der Quartiersbewohner (mit kleiner Teeküche, WC) z.B. als Basisstation für gemeinsame Aktivitäten, identitätsstiftende Quartiersfeste, Mietraum für private Feste (temporäre Raumerweiterung), Raum für gebündelte, mobile Dienstleistungen etc. etc. > die von Gastwohnungen zur Kurzzeitmiete, die eine wirtschaftlich attraktive Alternative zum dauerhaften Gästezimmer sein können und kurzzeitig in unmittelbarer Nähe plötzlich Raumerweiterung für die „nachwachsende Familie“, den mehr als nur Wochenendbesucher, den Opair etc.etc. bieten. Eine Kompatibilität im Doppelnutzen der jetzigen Anrainer mit den künftigen Bewohnern wäre interessant. In diesem Verständnis könnten verschiedene Wohntypologien die unterschiedlichen Bedarfe von Bewohnergruppen zeitgemäß erfüllen, aber langfristig auch auf flexible Nutzungen reagieren, um einen Aspekt der Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Langlebige, widerstandsfähige Materialien mit optischer und haptischer Ästhetik wie z.B. Klinkersteine und mineralischer Kratzputz sollen im Verhältnis der Live-Cycle-Cost-Betrachtung die Beständigkeit der neuen Bebauung langfristig unterstützen und in unmittelbarer Nähe zum mächtigen Dom das neue Quartier auch selbstbewusst und vereinend behaupten. Das Wechselspiel mit filigranen Verglasungen und subtil verlaufenden Materialperforierungen sollen die Übergänge vom urbanen Umfeld zu „weichen“ privaten Bereichen mit Raum für viel Individualität unterstützen.